Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen
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Energiespar-AG
Des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums
Frau Margit Fluch
Heerstraße 117
89233 Neu-Ulm
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Energiesparprojekt 1998/99 der landkreiseigenen Schulen des Kreises Neu-Ulm
Anlagen
Sehr geehrte Frau Fluch,
gemeinsam mit einer Schülergruppe haben sie Herrn Staatsminister Dr. Schnappauf am 27.06.2000 im Landtag eine Dokumentation der Energiespar-AG" ihres Gymnasiums übergeben. Ihre durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass sie sich intensiv mit den Problemen der Hydraulik und der Regelung von Heizungsanlagen beschäftigt haben und einen Beitrag zur Energieeinsparung und effektiven Energienutzung leisten wollen. Hierfür danke ich ihnen und den Schülern der Energiespar-AG".
Mit Schreiben vom 28.6.2000 hat MdL Kaul an Herrn Staatsminister Dr. Schnappauf vorgeschlagen, das Ergebnis dieser Untersuchung in öffentlichen Bauten auf allen Ebenen anzuwenden und ein Pilotprojekt angeregt.
Im Einvernehmen mit der für staatliche Gebäude zuständigen Obersten Baubehörde im Staatsministerium des Innern kann hierzu folgendes mitgeteilt werden:
Thermostatventile
Thermostatventilein herkömmlicher, preisgünstiger Ausführung weisen zweifelsohne den Nachteil auf, dass bei Fensterlüftung infolge der Temperaturabsenkung das Ventil öffnet und ein gewisser Energieverlust in Kauf genommen werden muss. Dieseb Verlust versucht man durch sogenanntes Stoßlüften" (Nutzerverhalten) sowie die Raumtemperaturbegrenzung auf 20°C (Thermostatventil-Behördenmodell) zeitlich und energetisch zu begrenzen.
Bei Schulräumen, die aufgrund der Luftqualität oftmaliges Lüften erfordern, tritt dieser Nachteil naturgemäß mehr in Erscheinung.
Die von der Energiespar-AG" zur Lösung des Problems angesprochene Einzelraumregelung mit Fensterkontakten erfordert jedoch hohen investiven und betrieblichen Aufwand (s. Punkt 3 Betriebsführung"). Bei staatlichen Gebäuden kommen dafür nur z.B. Hörsäle mit Abendveranstaltungen oder Räume mit ständig wechselnder Einsatzbereitschaft bei Polizeibauten in Frage.
Als Alternative böten sich eventuell elektronische Thermostatköpfe mit Mikroprozessor an, die entweder über Steckdosen oder Batterien mit elektrischer Energie versorgt werden. Dadurch könnten von den Schülern oder Lehrern individuelle Einstellung vor Ort getätigt werden. Außerdem wäre das Schließen der Ventile bei Fensterstoßlüftung bei diesen Thermostaten gegeben. Diese Thermostatköpfe kosten gegenüber herkömmlichen Thermostatköpfen das Vier- bis Fünffache, erfordern fachkundige Betreuung und regelmäßige Wartung. Eine Amortisation wird in aller Regel nicht möglich sein.
Hydraulischer Abgleich
Der hydraulische Abgleich einer Heizungsanlage wird in der Regel bei Baumaßnahmen der Staatsbauverwaltung mit ausgeschrieben und beauftragt und ist Stand der Technik. Dabei wird versucht, durch entsprechende Einbauten (Strangregulierungsventile, einstellbare Rücklaufverschraubungen, einstellbare Thermostatventile, drehzahlgeregelte Pumpen, hydraulische Weichen usw.) und exakt berechnete Rohrnetze die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abgleich zu schaffen. Dies führt bei Komplettsanierungen und Neubauten bei guter Bauüberwachung und Betriebsführung auch zu den gewünschten Erfolgen (vgl. 2. Energiebericht der Bayerischen Staatlichen Hochbauverwaltung von 1999).
Schwieriger stellt sich die Situation im Altbestand, z.B. bei Teilsanierungen von Gebäuden uns Sanierungen ganzer Liegenschaften mit weit verzweigten Netzen dar.
Hier tauchen trotz umfangreicher Vorberechnungen immer wieder unvorhersehbare hydraulische Probleme im späteren Betrieb auf, die nur mit personal- und zeitaufwendigen Fehleranalysen in Griff zu bekommen sind. Hier ist ein enge Zusammenarbeit zwischen Bauverwaltung und nutzender Verwaltung unerlässlich.
Betriebsführung
Probleme bei der Betriebsführung staatlicher Liegenschaften betreffen in der Regel die nutzenden Verwaltungen, werden jedoch von der staatlichen Bauverwaltung im Sinne einer beratenden Funktion im Rahmen der Bauüberwachung nach K 19 RLBau (Richtlinien für die Durchführung von Hochbauaufgaben des Freistaates Bayern) wiederholt angesprochen.
Bei Heizungsanlagen ist die Einstellung einer Nachtabsenkung, die Nutzung von Wochen-, Monats-, Jahresprogrammen (Ferienzeiten), die Optimierung von Heizkreistemperaturen oder die Heizkurvenanpassung Standard und vom Betriebspersonal zu erwarten.
Ein Außerkraftsetzen der automatischen Regelungen aus Unkenntnis der Zusammenhänge wie im Fall des Gymnasiums Pfuhl und ein Führen der Heizung im Handbetrieb bewirkt genau das Gegenteil der ursprünglich angestrebten Energieeinsparung. Der Einbau einer Einzelraumregelung würde in jedem Fall den Einsatz entsprechend qualifizierten Personals erfordern.
Nutzerverhalten
Schließlich spielen beim Energieverbrauch auch das Nutzerverhalten, die Komfortansprüche sowie das subjektive Behaglichkeitsempfinden eine wichtige Rolle. Die Motivation der Schüler/des Lehrkörpers im speziellen Fall des Gymnasiums Pfuhl zur Energieeinsparung ist sicher vorbildlich; dies kann jedoch leider (z.B. Fälle von Fenster-Dauerlüftung im Winter) trotz nachgewiesener Raumtemperatur von 20°C nicht verallgemeinert werden.
Weiter Einflussfaktoren
Ergänzend zu den uns vorliegenden Energiegutachten weisen wir auf folgende Zusammenhänge hin:
Einen großen Einfluss auf das hydraulische Verhalten von Heizkreisen hat nach unserer Erfahrung die Entlüftung der Anlage. Werden Heizstränge oder Heizkörper aufgrund fehlender Entlüftungsvorrichtungen, falscher Planung (Luftsäcke) oder ungenügender Wartung nicht oder nur teilweise entlüftet, kann es zu den von der "Energiespar-AG" beschriebenen Erscheinungen kommen, Zitat: Im selben Klassenzimmer wurden gleichzeitig unterschiedlich warme Heizkörper gefunden: "heiss-kalt-warm-lauwarm". Dies sollte in jedem Fall nochmals überprüft werden.
In der Dokumentation ist lediglich erwähnt, dass "die Schule ... für alle Fachräume (sie machen fast die Hälfte der Unterrichtsräume aus) eine Lüftungsanlage mit einem Betriebsvolumen von mehr als 33.000 m3/h besitzt". Dies sei außer bei den Chemikern im Kollegium praktisch unbekannt. Eventuelle Betriebszeiten oder zwangsweise Belüftungen (Zeitsteuerung) seien nicht in Erfahrung zu bringen gewesen. Dadurch könne der tatsächliche, prozentuale Anteil des Abluftwärmeverlustes am gesamten Lüftungswärmeverlust der Schule nicht abgeschätzt werden. Im fünf Jahre alten Energiegutachten der Ebert-Ingenieure werde eine tägliche Betriebszeit von fünf Stunden genannt.
Weitere Aussagen zur Ausführung und dem Zustand dieser Lüftungsanlagen fehlen. Daher kann in Unkenntnis der Anlage nur pauschal darauf hingewiesen werden, dass diese Anlage technisch untersucht und beurteilt werden sollte. Wenn schon unüblicherweise eine RLT-Anlage diesen Ausmaßes beim Gymnasium Neu-Ulm/Pfuhl vorhanden ist, ist u.a. zu prüfen, ob nicht folgende Raumbeheizung in Frage käme: Grundlastbetrieb durch die statische Heizung (Heizkörper) auf ca. 15°C und ergänzende Unterstützung über die Raumlufttechnische Anlage auf ca. 20°C. Dies böte die Möglichkeit individueller Regelung über die schnell reagierende Luftheizung. Eine wirksame Wärmerückgewinnungsanlage im Lüftungsgerät wäre natürlich Voraussetzung für eine wirtschaftlichen Betrieb, ebenso nicht zu hohe Nachrüstungs-/Instandsetzungs-/Instandhaltungskosten für Lüftungs- und Regelungsanlage.
Energieeinsparprojekte bei der Staatsbauverwaltung
Wie vorstehend dargestellt, sind die von der "Energeispar-AG" des Gymnasiums Pfuhl aufgedeckten Mängel an der Heizungsanlage des Gymnasiums Pfuhl wie fehlender hydraulischer Abgleich, Regelungsprobleme oder unzureichende Betriebsführung sowie deren Auswirkungen auf den Energieverbrauch nicht unbekannt. Als Folge eines konsequenten Energieverbrauchs-Controlling bei allen staatlichen Gebäuden, werden, soweit die Haushaltsmittel bereitgestellt werden, energetische Verbesserungen in bestehenden Gebäuden durchgeführt.
Ein Großteil dieser Maßnahmen befasst sich mit Optimierungen im Heizungsbereich, wo neben Generalsanierungen auch Kessel- und Brennererneuerungen sowie die vorstehend angesprochene Verbesserung der Anlagehydraulik und der Regelung beinhaltet sind.
Außerdem hat die Bauverwaltung auch die Verwirklichung sog. Performance-Contracting-Verträge, d.h. Einschaltung außenstehender Firmen (-gruppen) mit Erfolgsgarantie bei der Energieeinsparung und Betriebskostenreduzierung, dem Staatsministerium der Finanzen vorgeschlagen. Als Ergebnis wurden bislang zwei geeignete Pilotprojekte initiiert, nämlich das Landesuntersuchungsamt für Gesundheitswesen Südbayern und ein Universitätsgebäude in der Schillstraße in Augsburg. Weitere Contracting-Projekte befinden sich zur Zeit in der Anlaufphase. Die Durchführung weiterer Pilotprojekte ist im Bereich des Staatlichen Hochbaus insoweit nicht erforderlich. Unberührt davon können aus dem CO2-Minderungsprogramm für kommunale Liegenschaften des StMLU konkrete Planungsmaßnahmen zur CO2-Minderung gefördert werden; dazu gehören insbesondere auch Untersuchungen im Zusammenhang und zur Vorbereitung von Contracting-Maßnahmen.
In der Anlage werden die im Landtag überreichten Originalunterlagen zu unserer Entlastung zurückgesandt.
Mit freundlichen Grüßen
I.A.
Prof. Dr. Wörle
Ministerialdirigent